Munter vorwärts auf dem schulpolitischen Irrweg

Munter vorwärts auf dem schulpolitischen Irrweg

Aufgrund der Probleme an den Wetziker Schulen verlangte die SVP mittels eines Postulats einen Bericht vom Stadtrat. Ende Januar wurde dieser im Parlament behandelt. Doch anstatt sich mit möglichen Lösungen auseinanderzusetzen, empfand die Parlamentsmehrheit fast nur noch Mitleid für die Schulpflege. Die eigentliche Absicht des Berichts rückte somit in den Hintergrund. Nicht einmal auf die sogenannten «Top-Stressoren» wurde vertieft eingegangen. Doch sind es genau diese Stressoren, die zu den Problemen an unseren Schulen führen und diese immer mehr verstärken.

Die Wetziker Schulen haben Probleme. Ein bereits «alter Kaffee», der aber leider immer wieder von Neuem aufgewärmt werden muss. Letztes Jahr verlangte die SVP über deren Ursachen mittels eines Postulats einen Bericht. Das Vorhaben wurde vom Parlament einstimmig unterstützt, was beweist, dass der Finger auf den wunden Punkt gelegt wurde.

Gesellschaftswandel

Unter dem Stichwort «Gesellschaftswandel» fasste der Bericht mit Individualisierung, Medialisierung aller Lebensbereiche und Familienstrukturen die Ursachen der heutigen Schulsituation passend zusammen. Mit der Aussage, dass diese Entwicklungen von der Schule «aufgefangen» werden sollen, lässt sich ableiten, dass dieser Wandel im Hinblick auf den Schulauftrag nicht positiv ist. Der Bericht ging aber auf die explizite Forderung des Postulats nicht ein, darzulegen, inwiefern er [der Stadtrat] die Problematik inkl. Lösungsansätze an die entsprechenden fachlichen und politischen Stellen zu adressieren gedenkt. Wenn eine Behörde nicht auf Fehlentwicklungen hinweist, wer dann?

Integration um jeden Preis

Durch eine für den Bericht extra durchgeführte Lehrerumfrage kristallisierten sich sogenannte «Stressoren» heraus (siehe Grafik), die den Schulbetrieb erschweren. Hinsichtlich der Integration zeigte die Schulpflege im Bericht keine Anstalten, sich auf altbewährte Klassenstrukturen zurückzubesinnen, obwohl die Heterogenität der Klassen als dritthäufigster Stressor angegeben wurde. In einer parallel durchgeführten «Evaluation Schulmodell Sekundarschule» gaben 80% der Lehrpersonen und fast 50% der Eltern an, sie seien mit dem aktuellen Schulmodell, in welchem die Sek C-Stufe fehlt, unzufrieden. Wo bleibt die Ehrlichkeit, zuzugeben, wenn etwas nicht funktioniert?

Die Grafik zeigt die zehn am häufigsten genannten Belastungsgründe für Lehrpersonen. Anstatt sich seriös damit auseinanderzusetzen, werden diese teils selbst verursachten Probleme mit zusätzlichem Personal und etlichen Projekten zugepflastert. Und der Steuerzahler darf die «Pflästerlipolitik» grosszügig berappen.
Die Grafik zeigt die zehn am häufigsten genannten Belastungsgründe für Lehrpersonen. Anstatt sich seriös damit auseinanderzusetzen, werden diese teils selbst verursachten Probleme mit zusätzlichem Personal und etlichen Projekten zugepflastert. Und der Steuerzahler darf die «Pflästerlipolitik» grosszügig berappen.

Verhalten schwieriger Schüler

Mit ihrer Behauptung, Erziehung sei der Grundauftrag der Schule, scheint es sich die Schulpflege zur Erziehungsfrage allzu einfach zu machen. Gerade Art. 2 des Volkschulgesetzes, auf den im Bericht referenziert wurde, spricht klar von einer ergänzenden Funktion der Schule bei der Erziehung – in Zusammenarbeit mit den Eltern. Eine Ergänzung setzt erzieherische Grundlagen voraus. Wie diese konkret von den Eltern eingefordert werden oder ob es wenigstens versucht wird, blieb unbeantwortet. Als zweithäufigster Stressor der Lehrerschaft kann dieses Thema nicht einfach unter den Teppich gekehrt werden. Kein Wunder, bleibt die Bildungsqualität auf der Strecke, wenn die Schule immer mehr Erziehungsaufgaben übernimmt und sich so nicht mehr auf ihren eigentlichen Auftrag konzentrieren kann.

Den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen

Dass die Schulpflege die Schuld für den am häufigsten genannten Stressor «Administrative Aufgaben» primär dem Faktor Corona zuschob, ist etwas gar plump. Einen direkten Zusammenhang mit den zahlreichen schulbegleitenden Massnahmen (genau sind es 27) zu sehen, die im Bericht aufgeführt wurden, wäre durchaus logischer und plausibler.

Frühförderung, das neue Allheilmittel

Abgerundet wurde der Bericht mit noch mehr Projekten, mit denen zukünftig Kinder besser auf die Schule vorbereitet werden sollen. Mit dem Fokus auf Frühförderung verfolgt die Schulpflege einen grundlegend falschen Ansatz und wird dabei selbst mitschuldig an den Problemen, die sie später zu bewältigen versucht. Anstatt frühkindliche Angebote zu schaffen, sollte die Schule alles daransetzen, die Eltern darin zu unterstützen, dass sie mehr Zeit mit ihren Kleinkindern verbringen können. Warum nicht auch mal Druck auf Politik und Behörden ausüben, damit entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden? Damit schliesst sich auch der Kreis zum Gesellschaftswandel.

Augen, die nicht sehen und Ohren, die nicht hören (wollen)

Wofür soll ein Bericht gut sein, der auf die Ursachen von Problemen hinweist, die man nicht sehen und nicht hören will? Das Parlament hat den Bericht abgeschrieben und das Geschäft ist erledigt. Erneut bleiben die Lehrpersonen und Eltern mit ihren Kindern auf der Strecke. Abzuwarten bleibt, ob das Verhalten der Parteien die Erwartungen der Wetziker Bevölkerung und insbesondere der Eltern an den Exekutivwahlen am 27. März widerspiegelt.

Dieser Artikel erschien am 24. Februar 2022 auf dem Online Portal des Zürcher Boten.

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